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In der Ausstellung zum Projekt im Kunsthaus Hamburg

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Einschnitte - Beitrag zu wandsbek transformance

Performance am Samstag, 15.09.07, 11.00 - 17.00 Uhr im Bereich Schimmelmannstraße, Schimmelmannstieg

Text auf www.wandsbektransformance.de:

Die Künstlerin streut gen Westen eine 50 Meter lange Zucker- und Kaffeespur auf dem Seitenweg entlang der Schimmelmannstraße. Die braune und die weiße Spur markieren parallel geschüttet als lineare Häufungen zugleich einen Zwischenraum, eine immaterielle, vorläufig unfassbare Spur. Der Zucker glänzt und blendet, der feine braune Kaffee offenbart eine dunkel rote Farbtönung und verströmt einen intensiven Duft, dazwischen ist Erde und Staub sichtbar. Über die geradlinig wirkenden Spuren streicht ein Wind.

Die Spuren bilden Einschnitte im Raumbild. Sie greifen ein in die öffentliche Markierung der Straßenflucht und verwandeln die gewohnte Wahrnehmung. Sichtbar erfolgt die Schüttung aus Verpackungstüten eines Handelshauses. Was zur Tageszeit des gemütlichen 'Kaffeetrinkens' in den Reihenhäusern der Schimmelmannstraße soeben auf den Tisch kommt, verbindet sich nun mit Schmutz und Erdreich. Die Künstlerin wirft uns Stoffe unseres täglichen Genusses vor die Füße. Stoffe, die uns lieb und teuer oder 'recht und billig' sind, die wir nicht missen mögen. Und wirft damit die Frage auf, über welchen Weg sie herkamen, welche GeSchichte sie beinhalten. Sie ver_wirft so die Selbstverständlichkeit unseres spezifischen Waren-Konsums, fragt nach dem historischen Bodensatz unseres Lebensstils und seinen aktuellen Voraus_setzungen.

Es sind Genussmittel, die über Jahrhunderte als 'Kolonialwaren' nach Europa kamen, lange verknüpft mit Sklavenhandel und Sklavenarbeit. Rohrzucker und Kaffee wurden in großem Stil transatlantisch herangeschafft und zu Stoffen 'abendländischer' Genusskultur verarbeitet. Sie wurden einverleibt als 'guter Geschmack' und eingespeist als Treibstoff der Ware Arbeitskraft für Europas Industrialisierung und Weltmarktstellung.

Die Künstlerin streut Fragen und Assoziationen. Weil es sich um Nahrungsmittel handelt, wirkt ihr Vorgehen auch als emotionale Ausschüttung. Uns betrifft diese Vergeudung unmittelbar, dabei trifft sie unerwartet auf die Frage: Wie fern ist uns die Vergeudung von Leben für die Erzeugung hoch geschätzter Lebensmittel? Wie fern sind uns die schmerzhaften Einschnitte in die Seelen und Körper derjenigen, die ihre Arbeitskraft für sie hergaben und hergeben?

Claudia Behling sammelt im letzten Teil ihrer Performance alle Partikel ihrer Zucker- und Kaffeestreuung wieder ein, fegt sie mit vernehmbarem Kehrgeräusch zusammen, nun vermengt mit Dreck. Abschließend füllt sie das Gemisch aus süßem Zucker, edlem Kaffee, Straßenstaub und erdigem Schmutz sorgfältig in große Gläser, wie sie lange in Kolonialwarenläden zu finden waren. Die gleichsam eingeweckten Spuren ergeben eine Gemengelage wie Schichten eines Grabungsprofils, das viel=schichtig entschlüsselt werden will. Die Künstlerin kehrt öffentlich vor unserer Haustür, setzt die Wahrnehmung auf eine weiter reichende, aber auch zurück weisende Spur. Sie wirbelt dabei Staub auf. Aus der nach Heinrich Carl Schimmelmann benannten Straße wird zugleich ein Erinnerungspfad seiner 'Süßen Macht' - als Herr über Sklavenarbeit auf westindischen Zuckerplantagen, als Händler mit Sklavenzucker, als Betreiber einer hoch profitablen Zuckerraffinerie.

G.U.

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